Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Die Erstellung von Listen der mit den einzelnen Deportationstransporten "abgewanderten" Juden war ein komplexer bürokratischer Vorgang, an dem verschiedene Behörden beteiligt waren. Beispielsweise wird in einem Bericht der Leiterin der Wohnungsberatungsstelle der Reichsvereinigung Martha Mosse vom 8.6.42 der Ablauf im Zusammenhang mit dem Einsetzen der Alterstransporte aus Berlin wie folgt beschrieben [Bundesarchiv, R 8150/50]:


"Bereits aufgenommene Fragebogen von Personen, die seinerzeit wegen ihres Alters von der Abwanderung nicht erfaßt worden sind, werden ausgesucht, mit der Registratur und dem Kataster wegen Adressenänderung, Todesfall etc. verglichen und dann zu der Staatspolizeileitstelle geschickt. Nachdem dort Transport-Nummern erteilt worden sind, werden die Vermögenserklärungen durch unsere Mitarbeiter in die Wohnungen gebracht, da die Versendung durch Post zu unsicher und zu zeitraubend ist. Nach 2 Tagen werden die Vermögenserklärungen abgeholt. Transport-Listen für die einzelnen Alterstransporte werden aufgestellt und Abwanderungs-Benachrichtigungen ausgeschrieben und abermals durch Mitarbeiter an die Betroffenen verteilt.

...

Ist ein Transport abgegangen, so wird unsere vorläufige Transport-Liste mit der endgültigen Liste der Staatspolizeileitstelle verglichen. Unsere Mitarbeiter stellen durch Ermittlungen an Ort und Stelle fest, wer von den Abgewanderten Haupt-, wer Untermieter gewesen ist, ob die Wohnungen in arischem oder jüdischem Grundbesitz liegen. Die Wohnungen in jüdischem Grundbesitz werden zur Wiederbesetzung durch die Wohnungsberatungsstelle genau aufgenommen und wegen Entsiegelung und Räumung der Staatspolizeileitstelle und der Wirtschaftsgruppe gemeldet.

...

Sowohl die Registratur wie auch die Listenabteilung ist stark angespannt. Die Listenabteilung muß im Gegensatz zu früher ausser der vorläufigen und endgültigen Transport-Liste noch Listen für die Vergleichsarbeit im Kataster und in der Beitragsabteilung und für die Reihenfolge der Abholung der Abwandernden (Fahrtenliste) aufstellen."


Nach Abgang eines Transports wurden die Transportlisten zusammen mit den Vermögenserklärungen der Deportierten von der Gestapo an die Behörde des Oberfinanzpräsidenten (OFP) geschickt, die den Verfall oder die Einziehung des Vermögens zugunsten des Deutschen Reichs feststellte und die Vermögensverwaltung und -verwertung zusammen mit den zuständigen Finanzämtern einleitete. Die von der Gestapo an die Finanzbehörde gesandten Listen enthalten z.T. Streichungen nicht deportierter Personen sowie Korrekturen beispielsweise aufgrund von Doppelnennungen. Diese korrigierten Listen können als weitgehend zuverlässig angesehen und für einen Vergleich mit den statistischen Angaben der Reichsvereinigung herangezogen werden.


Eine entsprechende Auswertung mit dem Ziel der Überprüfung und möglicherweise Korrektur von Literaturangaben hinsichtlich der Zahl der deportierten Juden wurde anhand der Berliner Transportlisten aus den Akten des OFP Berlin-Brandenburg vorgenommen. Die folgende Gegenüberstellung mit den statistischen Angaben der Reichsvereinigung erfolgte für den Zeitraum von Januar 1942 bis April 1943, für den sowohl die Transportlisten als auch die Monatsstatistiken vollständig überliefert sind.

Deportationslisten

©TF 2022, mail(at)statistik-des-holocaust.de

Die erhaltenen Deportationszahlen aus beiden Quellen weisen monatliche Unterschiede auf, die insbesondere auf Nachmeldungen, aber auch auf eine mögliche unterschiedliche Registrierung von Deportierten, darunter der außerhalb von Berlin arbeitenden Berliner Juden oder umgekehrt der in Berlin arbeitenden auswärtigen Juden zurückgeführt werden kann. In der Summe stimmen die Angaben für den aufgeführten Zeitraum fast überein.


Eine Zusammenstellung aller Deportationstransporte aus dem Deutschen Reich und deren Auswertung unter Einbeziehung von Deportationslisten und Angaben der Reichsvereinigung ist im Rahmen dieser Website schrittweise geplant. Die Zuordnung zu den verschiedenen Regionen erfolgt dabei unter Berücksichtigung der administrativen Einteilung der Bezirksstellen der Reichsvereinigung der Juden mit dem Stand vom Frühjahr 1943:


I - Bayern


II - Berlin


III - Brandenburg-Ostpreußen


IV - Hessen/Hessen-Nassau


V - Mitteldeutschland


VI - Nordwestdeutschland


VII - Rheinland


VIII - Schlesien


IX - Südwestdeutschland


X - Westfalen



Transport-

bezeichnung

der Gestapo

Deportierte mit letztem Wohnsitz/Aufenthaltsort in Berlin lt. Transportliste

Deportierte nach Statistik der Reichsvereinigung für die Bezirksstelle Berlin

1942




Jan

VIII-X. Transport

3003

3005

Feb

-

-

-

Mär

XI. Transport

973

973

Apr

XII.-XIII. Transport

708

706

Mai

-

-

-

Jun

XIV.-XVI. Transport

1698

1690


1.-12. Alterstransport




Sondertransport



Jul

XVII. Teiltransport

2299

2313


13.-34. Alterstransport



Aug

18.-19. Osttransport

4686

4563


35.-53. Alterstransport




1. großer Alterstransport



Sep

20. Osttransport

3186

3325


54.-67. Alterstransport




2. großer Alterstransport



Okt

21.-22. Osttransport

2973

2971


68.-70. Alterstransport




3. großer Alterstransport



Nov

23. Osttransport

1424

1442


71.-75. Alterstransport



Dez

24.-25. Osttransport

2081

2096


76.-78. Alterstransport



1943




Jan

26.-27. Osttransport

2625

2632


79.-84. Alterstransport



Feb

28.-30. Osttransport

2904

2914


85. Alterstransport



Mär

31.-36. Osttransport

8768

8658


4. großer Alterstransport



Apr

37. Osttransport

410

443


86. Alterstransport



Gesamt


37734

37731